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Ein Interview mit Simone Fuhs, Gründerin der ecosign

Vor 175 Jahren gründete Carl Remigius Fresenius sein Chemisches Laboratorium und legte damit den Grundstein für die Bildungsfamilie, zu der zahlreiche Hochschulen gehören – so auch die Charlotte Fresenius Privatuniversität als jüngstes Mitglied. Im Laufe der Jahre gab es immer wieder spannende Kooperationen, wie auch mit der ecosign/Akademie für Gestaltung. Die Design-Hochschule verschreibt sich seit 1994 der Nachhaltigkeit. Im Interview erzählt Gründerin Simone Fuhs über ihren Werdegang, die Gründung und die Pläne für die Kooperation in Wien.

Sie haben 1994 die ecosign gegründet. Was war ihr Anliegen und Ihr Ziel?

Simone Fuhs
Simone Fuhs, Gründerin der ecosign/Akademie für Gestaltung

Simone Fuhs: Dazu muss ich etwas ausholen: Ich bin die ersten zwölf Jahre meines Lebens in Kairo, Ägypten, groß geworden. Da wird man mit anderen Realitäten konfrontiert als in Deutschland. Es gab extrem viel Armut, aber auch extremen Reichtum. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung hatte keine Chance, zur Schule zu gehen. Als Kind habe ich also in den Augen der Menschen gesehen, was es bedeutet, keinen Zugang zu Bildung zu haben – keinen Zugang dazu, Bücher zu lesen und eigene Informationen daraus abzuleiten. Mir wurde klar: ohne Bildung gibt es kein eigenständiges, selbstverantwortliches Leben. Und ohne Bildung gibt es auch nicht – oder nur in seltenen Fällen – die Möglichkeit etwas Nennenswertes zu verändern. Dafür braucht es viel Kreativität und Kraft.

Nachdem ich nach Deutschland kam, habe ich einen kleinen „Kulturschock“ bekommen und angefangen zu malen. Später habe ich bei einem Beuys-Schüler studiert (Anm. D. R.: Joseph Beuys war einer der wichtigsten Aktionskünstler des 20. Jahrhunderts, bekannt als ideales Gegenstück zu Andy Warhol), der mich mit der Philosophie von Beuys bekannt gemacht hat: Jeder Mensch ist ein Künstler. Das heißt, wenn man sich bewusst ist, dass kein anderer außer man selbst sein Leben gestaltet, dann ist jeder eigentlich künstlerisch-schöpferisch tätig. Mit einer solchen Auffassung hat man die Chance, Verantwortung in die eigene Hand zu nehmen und sein Umfeld ganz bewusst zu gestalten. Das hat mich ebenfalls sehr geprägt.

Ich habe dann ein klassisches Design-Studium angefangen, in dem es allerdings vor allem darum ging, Dinge schön zu machen, in der Kommunikation gefällig zu gestalten oder ein Konzept zu erstellen, das gut funktioniert. In vielen Bereichen wurde nicht darüber nachgedacht, was Gestaltung eigentlich im sozialen, ökologischen oder kulturellen Umfeld bewegt. Das fand ich zu wenig, weswegen ich frühzeitig begonnen habe, an meiner Hochschule Vorlesungen für meine Kommilitonen zu organisieren und sie über die Impacts ihres Handelns zu informieren. Schon damals kam mir die Idee, es müsste einen Studiengang für nachhaltiges Design geben.

Ich hatte zunächst überlegt, einen „konventionellen“ akademischen Weg mit Promotion im Designtheorie-Bereich oder in der Philosophie zu gehen, aber mir wurde ganz schnell klar, dass es durch gegebene Strukturen sehr schwierig werden würde, grundlegend etwas zu verändern. Aus diesen Abwägungen resultierte, dass ich 1994 200.000 D-Mark aufgenommen und die ecosign/Akademie für Gestaltung gegründet habe, die ich bis heute sehr erfolgreich führe. Es ging mir – und geht mir noch immer – darum, bereits in der Lehre zu vermitteln, welche ökologische, soziale und kulturelle Bedeutung die gestalterische Arbeit mit sich bringt.

Wie kam die Kooperation mit der Charlotte Fresenius Privatuniversität zustande?

Simone Fuhs: Wie so etwas oft geschieht: über Empfehlungen toller Kollegen. Herr Fresenius hat mich damals persönlich angerufen und mir gesagt: „Frau Fuhs, Sie müssen zwei Personen kennenlernen, unter anderem Martin Kreeb (Anm. d. Red. Martin Kreeb ist designierter Rektor der Charlotte Fresenius Privatuniversität.).” Dann habe ich Martin Kreeb angerufen und wir haben uns getroffen. Ich schätze ihn sehr, weil er seit Jahren engagiert und ehrlich für das Thema Nachhaltigkeit streitet.

Er hat mir vom Gründungsvorhaben der Charlotte Fresenius Privatuniversität erzählt. Uns war von vorneherein klar, dass wir zusammenarbeiten. Ich glaube, und da schließe ich Bernhard Sams mit ein, dass wir ein Trio sind, das sich das Thema Nachhaltigkeit ganz groß auf die Fahne geschrieben hat und es auch von Herzen lebt. Es ist uns wichtig, die Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten, unseren Beitrag durch die Gründung der nachhaltigen Privatuniversität zu leisten und jungen Menschen eine besondere Anlaufstelle für „grüne Karrieren“ zu bieten.   

Wie sieht die Kooperation aus? Steuert die ecosign Impulse bei, werden Module in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen angeboten?

Simone Fuhs: Die Idee ist, das System so aufzustellen, dass wir so transdisziplinär wie möglich zusammenarbeiten können. Da gebe ich gerne meine Erfahrung über transdisziplinäre Ausbildung weiter. Wir haben an der ecosign fächer- und semesterübergreifende Kurse, was sehr gut funktioniert. Denn auch wenn die Studierenden einen unterschiedlichen Kenntnisstand haben, ist es für alle eine win-win-Situation! Die Dozenten sind begeistert von dem Engagement und Austausch der Studierenden, die einander gegenseitig unterstützen. Das Studium ist so aufgebaut, dass man sich nicht von vorneherein festlegt, sondern sich in verschiedenen Designbereichen ausprobieren und entwickeln kann. Die Studierenden finden es wunderbar, dass sie die Möglichkeit haben, sich dabei auch persönlich weiterzuentwickeln. Das möchte ich auch in Wien anbieten.

Mein Traum einer Hochschule ist, dass man verschiedene Fachbereiche hat und als Student oder Studentin tiefer in einzelne Bereiche eintauchen kann. Ich möchte, dass man gar nicht mehr in Disziplinen oder Fachbereichen denkt, sondern, dass die Studierenden fächerübergreifend unterrichtet werden – projektorientiert sozusagen. Sie können dann auch an realen Projekten arbeiten, um den Bezug zu den Aufgaben früh mitzubekommen. Darin sehe ich die Zukunft. Das ist für mich auch bei der Charlotte Fresenius Privatuniversität das, was ich mir vorstelle, das wäre ein Traum.

Wie passen Betriebswirtschaftslehre und nachhaltiges Design überhaupt zusammen? 

Simone Fuhs: Wenn man zum Beispiel ein Projekt zum Thema Mobilität der Zukunft nimmt. Da geht ein Designer anders ran als jemand aus der Psychologie oder ein BWLer. Alle bringen sich in dem Projekt mit seiner eigenen Perspektive ein. Ich könnte ich mir vorstellen, dass sich zum Beispiel der Designer und der BWLer zusammentun und gemeinsam ein Projekt entwickeln, etwa für ein Unternehmen oder eine NGO zum Thema Mobilität. Mit diesen Projekten kann man dann auch an die Öffentlichkeit gehen und kommunizieren, dass das Thema von unterschiedlichen Seiten beleuchtet und sich interdisziplinär damit auseinandergesetzt wurde: Was bedeutet das für die Psychologie, wenn die Menschen sich auf neue Möglichkeiten der Mobilität umstellen müssen? Was bedeutet das für die Städte, das Umfeld, für die Entwicklung des Miteinanders?

Es geht letztendlich um die Ressourcennutzung und darum, die Zukunft jetzt neu zu gestalten. Darin liegt die Herausforderung, die uns betrifft und deren Lösungsansätze ich bei der Charlotte Fresenius Privatuniversität und auch bei der ecosign sehe. Es geht darum, junge Menschen so auszubilden, dass sie in der Lage sind, die Zukunft mitzugestalten und wirklich innovative Lösungen für eine lebenswerte Zukunft zu schaffen.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie persönlich?

Simone Fuhs: Für mich ist ein nachhaltiges Leben Friedensarbeit. Das ist nichts, was ich nach außen mache, sondern was ich im Inneren anfange. Meine wichtigste Message ist eigentlich, dass alle anfangen sollte, bei sich persönlich Frieden zu schaffen. Jeder trägt in sich Themen, bei denen man mit sich ringt und mit denen man manchmal auf Kriegsfuß steht. Das zeigt sich beruflich oder auch privat. In einer Partnerschaft oder in einer Freundschaft gerät man in Konflikte und da fängt Friedensarbeit schon an: Man beginnt, über die Art und Weise nachzudenken, wie man mit anderen umgeht, wie man kommuniziert, wo man vielleicht selbst Schwierigkeiten mit einem Thema hat. Dann schaut man: Warum mach ich das eigentlich, ist das notwendig, kann ich das vielleicht anders gestalten? Ich habe irgendwann damit angefangen, von der der Ernährung, über die Kleidung, bis zu der Art, wie ich versuche, mit Menschen umzugehen, alles zu hinterfragen und neu zu denken. Das alles gehört für mich zur Nachhaltigkeit dazu.

Ich habe lange Zeit gegen Windmühlen gekämpft. Heute ist das Thema im Trend, aber das war nicht immer so. Als ich begonnen habe, mich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, war dies vielen suspekt und man wurde schnell in die Öko-Ecke gedrängt. Über 30 Jahre später habe ich den Eindruck, dass viele verstanden haben, wie sehr alles mit allem verbunden ist und dass jeder Einzelne bei sich selbst beginnen kann. Ich glaube, dann verändert man schon ganz viel. Ich glaube jedenfalls fest daran, dass wenn ich etwas anstoße, auch wenn es angeblich keiner mitkriegt, es doch viele betreffen und beeinflussen kann – dies, glaube ich, ist mir jedenfalls mit der Gründung der ecosign gelungen.